Ein Interview mit mir selber von Matthias Felix Güldenstein
In der Literatur über Tarot gibt es immer wieder Versuche, bestimmte Tarot-Karten bestimmten Tierkreiszeichen und Planeten der Astrologie zuzuordnen. Felix behauptet, in dieser Hinsicht eine neue Entdeckung gemacht zu haben. Matthias hat ihn befragt.
Matthias: Felix, du sagst, du hast ein Zuordnungsschema von den Tarotkarten zu den Tierkreiszeichen und Planeten gefunden, das mehr Sinn macht, als das, was du bisher gesehen hast?
Felix: Ja. Es ist vielleicht etwas kompliziert, aber ich denke trotz allem einleuchtend. Matthias: Kannst du erklären, wie du auf dieses Schema gekommen bist?
Felix: Ich will es versuchen. Wenn du die Großen Arkana (Trumpfkarten) des Tarot anschaust, fällt dir dabei sicher auf, dass es da am Anfang eine Symmetrie-Achse zu geben scheint. Die Karten 3 und 4 heißen Herrscherin und Herrscher, die Karten 2 und 5 Hohepriesterin und Hohepriester. Das erinnert mich an eine bekannte astrologische Darstellung der Planeten-Zuordnungen zu den Tierkreiszeichen:
Matthias: Bei dieser Zuordnung sind die Tierkreiszeichen, die zum gleichen Planeten gehören, nebeneinander angeordnet, zum Beispiel die beiden Venus-Zeichen Stier links und Waage rechts.
Felix: Genau. Wenn ich von dieser Zwölferteilung des Kreises ausgehe und die Karten entsprechend auslege, ergibt sich folgendes Bild:
In der Astrologie ist die Sonne (der Sol) der König/Herrscher des Tages. Ihm entspricht das Tierkreiszeichen Löwe. Die Königin/Herrscherin der Nacht ist der Mond (die Luna). Ihr ent-spricht das Tierkreiszeichen Krebs. Die Karte „Zwei“ (Priesterin) erhält den Platz der Zwillinge und der Priester den der Jungfrau, beide dem Merkur verbunden: Kommunikation. Die Karte „Eins“ (Magier) liegt dann auf dem Stier (= Aleph, hebräisch = Stierkopf und 1). Die „Liebenden“ liegen passend auf der Waage mit Venus.
Matthias: So weit scheint das einleuchtend zu sein. Es entbehrt auch nicht einer gewissen Komik, dass der keusche Priester auf dem Platz der Jungfrau liegt …
Felix: Den Humor sollte man bei diesem Spiel mit Assoziationen (Gedankenverbindungen) nie verlieren. Und symbolisch gesehen macht das eben durchaus auch Sinn. Nun möchte ich den zweiten Überlegungsschritt darstellen. Die Karten Sonne und Mond gibt es ebenfalls in den Grossen Arkana. Ich lege sie einmal den Karten Herrscher (Sonne) und Herrscherin (Mond) gegenüber und lege die vorherigen und nachfolgenden Karten dazu:
Wenn wir jetzt die Zahlen auf den Karten betrachten, sehen wir, dass die Karten des oberen Halbkreises, sofern wir die Quersummen lesen, einfach die Fortsetzung des unteren sind: Turm 1+6=7, Stern 8, Mond 9, Sonne 10 = 1, Jüngstes Gericht 2 und Welt 3.
Matthias: Das sieht interessant aus. Aber auf diese Weise hast du ja die Zahlen eins bis drei sozusagen doppelt. Was machst du jetzt damit?
Felix: Das stimmt. Es kommt daher, dass in unserem Zahlensystem, in dem wir Quersummen bilden können, nur die Zahlen von Null bis Neun vorkommen, wobei sogar die Null der Neun entspricht. In der Astrologie rechnen wir aber mit einem Zwölfersystem. Dass diese beiden Systeme sich nicht zur Deckung bringen lassen, macht die Zuordnung einerseits komplizierter, andererseits aber auch spannender. Lass’ mich aber zunächst noch einen weiteren Schritt erklären, bevor ich auf deine Frage eingehe. Würde ich die untere Reihe oben mit den nachfolgenden Karten fortsetzen, käme 7 Wagen zu 16 Turm, 8 Kraft (zumindest im Rider-Deck) zu 17 Stern, 9 Einsiedler zu 18 Mond, 10 Glücks-rad zu 19 Sonne und 11 Gerechtigkeit zu 20 Jüngstes Gericht. (Auf 12 Prüfung und 21 Welt komme ich später noch zurück.)
Matthias: Das Rider-Deck, das du da ansprichst, ist das Paket von Tarotkarten, das von Arthur Edward Waite stammt und von Pamela Colman Smith gezeichnet wurde. Es ist das wahrscheinlich bekannteste Tarot-Kartendeck. Du beziehst dich also auf dieses?
Felix: Richtig. In der Astrologie ist das 9. Feld das Haus des Schützen (mit Jupiter), der Horizonterweiterung, der Philosophie, des Glaubens. Dazu passt der Eremit mit seiner Lampe (Karte 9). Das 10. Feld entspricht dem Steinbock (mit Saturn) und ist das des Berufs, der äusseren Entfaltung der Persönlichkeit. Da passt das Glücks- oder besser Schicksalsrad (10) und auch die Sonne (19) ganz gut dazu.
Nur: In dem Schema, von dem ich ausgegangen bin, sind Stier/Magier auf Platz 1, Zwillinge/Priesterin auf 2, Mond/Herrscherin auf 3 usw. und damit Schütze auf 8/Stern und Steinbock auf 9/Mond. Um diesem scheinbaren Widerspruch gerecht zu werden habe ich eine neue Anordnung getroffen: Ich stelle die Tierkreiszeichen an die Spitzen des Schemas. Ausserdem füge ich gleich noch alle andern Karten in das Schema ein:
Jetzt gehören zum Beispiel Schicksalsrad (10) und Einsiedler (9) zum Schicksalsplaneten Saturn, der als alter Mann dargestellt wird. Ich kann hier nicht ausführlich begründen, weshalb ich dem Narren die Zahl 21 und der Welt die Zahl 22 zuordne (im Rider-Deck ist es umgekehrt). Auf diese Art gehören Narr, Gehängter/Prüfung, Wagen und Turm zu Mars, Welt, Magier, Liebende und Teufel zu Venus. Dazu gäbe es noch viel zu sagen. Aber hier sieht man auch, dass die Reihe der Tarotkarten von der 12 zur 13 einen Sprung macht, weil, wie du zuvor richtig bemerkt hast, die Zahlen 10, 11 und 12 auch als 1, 2 und 3 gelesen werden können. Die 13 entspricht dann der 4 und nicht der 1.
Die Karte 22 (die Welt) würde auch auf Platz vier stehen, aber man könnte sie auch als „tan-zende Magierin“ ansehen und in diesem Sinne der Venus und dem Magier zuordnen.
Matthias: Das ist ja alles ganz schön und gut, aber was ist der Nutzen, dieser Zuordnung?
Felix: Muss denn immer alles einen Nutzen haben? Mich hat die Idee fasziniert, eine befriedigende Zuordnung der grossen Tarot-Arkanas mit den hebräischen Zahlen zu den astrologischen Zeichen zu finden. Was ich hier erklärt habe, ist nur ein kleiner Ausschnitt aus einer viel grösseren Arbeit, in der ich zusätzlich noch bestimmte Grimm-Märchen und dazu entwickelte Meditationen, Symbole und Runenzeichen etc. und die kleinen Arkanas den Zahlen von Null bis Dreizehn zugeordnet habe. Ich habe zu jeder Zahl entsprechende Ideen und Gedanken gesammelt und auf diese Weise kleine Büchlein zusammengestellt.
Jetzt ist die Buchreihe «Aus dem Bilderbuch der Seele» im Verlag «tredition» erschienen. Es sind vierzehn Büchlein zu je 84 Seiten mit den Titeln «DAS BUCH NULL», «DAS BUCH EINS» und so weiter bis «DAS BUCH DREIZEHN».
Matthias: Wie sieht denn da der Zusammenhang zwischen Grimm’schen Märchen und Tarot-Karten aus? Haben die Gebrüder Grimm auch Tarot-Karten gelegt?
Felix: Nein, das glaube ich nicht. Ich bin aber auf viele «zufällige» Parallelen gestossen. Hier ein Beispiel: Für die Zahl Acht habe ich das Märchen von Aschenputtel gewählt, weil in der Astrologie das achte Feld etwas mit Tod und Erbschaft zu tun hat. Die Mutter von Aschenbrödel stirbt und verspricht, sie würde ihm aus der geistigen Welt auch weiterhin helfen. Aschenbrödel pflanzt den Haselzweig, den ihr der Vater mitgebracht hat, auf das Grab der Mutter.
Die Karte «8 Stäbe» zeigt acht Zweige, von denen einer kürzer ist, als hätte ihn der Vater abgebrochen und mitgebracht. Daraus wächst ein Baum, von dem Aschenputtel seine schönen Kleider erbitten kann. Auf der Tarot-Karte 17 ist im Hintergrund ein kleiner (Grab-)Hügel abgebildet, auf dem ein Bäumchen steht, und auf dem Bäumchen sitzt ein Vogel mit einem langen Schnabel, der wie ein Ibis aussieht. Der ägyptische Gott Thoth wurde mit einem Ibis-Kopf dargestellt und wachte u.a. im Totenreich über das gerechte Abwiegen der Herzen. Die Karte 17 gehört mit der Quersumme 8 eben auch zum «BUCH ACHT».
So habe ich in vielen Märchen Anspielungen auf Astrologisches gefunden und entsprechende Parallelen im Tarot. Ich benütze diese spielerisch als Assoziationen und möchte die Leserinnen und Leser dazu anregen, selbst mit Ideen und Symbolen zu spielen, denn wie schon Friedrich Schiller sagte: «Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt».
Matthias: Deine Bücher sind also hauptsächlich Anleitungen zum Assoziieren und Spielen?
Felix: Zum Teil ja. Da sind aber auch die «Märchen-Meditationen», die von den Grimm-Märchen inspirierten Bildreisen, durch die ich die Leserin und den Leser führe. Diese geführten Bildreisen durch das Märchenland der Seele können dazu verhelfen, das eigene Unbewusste und die darin verborgenen Seelenanteile näher kennenzulernen. Ich hoffe, dass meine Erklärungen zu den Sinnbildern, den Symbolen, die wir in Märchen und in Träumen antreffen können, das Verständnis und das Gefühl für diese innere Bilderwelt erweitern helfen.
In diesem Sinne mögen diese Büchlein auch für Leute nützlich sein, die mit Astrologie und Tarot nichts anzufangen wissen.
Matthias: Ich kann diese Zahlenbüchlein nur empfehlen. Bestellen kann man sie im Shop des Verlages «tredition» oder in jeder Buchhandlung.