Unser Kopf entscheidet meistens, was wir fühlen «dürfen». Er hat bei vielen Menschen die Führung übernommen und kontrolliert sehr genau die Gefühle, die sein Mensch gerade hat. Wenn er merkt, dass die Gefühle stärker sind als er, rebelliert er oft und «schickt» dem Menschen zur Ablenkung viele Worte in den Kopf, damit dieser sich eher für die Vernunft statt für seine Gefühle entscheidet. So gewinnt er den Kampf und bleibt wieder mal «Herr und Meister». Er freut sich und der Mensch denkt, vernünftig gehandelt zu haben. Aber seine Gefühle melden sich immer wieder und wollen gefühlt, verstanden, gesehen und gehört werden. Sie versuchen über verschiedene Wege ihren Menschen zu erreichen. Gefühle, die im Jetzt keinen Raum kriegen, verwandeln sich in Emotionen und tauchen später in Form von Angst, Wut, Hilflosigkeit, Ohnmacht, Trauer etc. wieder an die Oberfläche.
Also vor allem Gefühle, die unangenehm sind und uns, auf den ersten Blick, das Leben schwer machen.
Wenn wir in Momenten der Freude, Begeisterung, Glück etc. verletzt oder verraten werden, können als Konsequenz auch positive Gefühle mit einem unschönen Erlebnis verknüpft werden. So wandeln sich auch schöne Gefühle zu «gefährlichen». Wenn dies geschieht, wird es in uns immer enger und wir fühlen am liebsten gar nichts mehr! Lieber das, als immer wieder mit unseren Verletzungen in Kontakt kommen, es ist zu schmerzhaft.
Am Anfang unseres Lebens, im Bauch unserer Mutter und bis ins Alter von 1-2 Jahren sind wir nur Fühlen! Ja, genau das Fühlen, das wir als Erwachsene so oft unterdrücken, ist an unserem Lebensanfang unser natürliches Sein!
Wenn wir uns dem Fühlen verweigern, unterdrücken wir unbewusst unser ursprüngliches Sein.
Kein Wunder gibt es so viele Menschen mit z.B. depressiven Verstimmungen und schweren Depressionen. De-Press: wenn sich die Gefühle melden, dann pressen wir sie aus lauter Angst weg. Dann bekommen wir, wenn die Depression schon fortgeschritten ist, meist Psychopharmaka: damit spüren wir uns noch weniger.
Psychoaktive Medikamente haben ihre Berechtigung – wenn es nicht mehr anders geht.
Wenn wir diesen Punkt jedoch erreichen, haben wir unsere Gefühle schon eine geraume Zeit ignoriert oder schlichtweg nicht gewusst, wie wir mit ihnen umgehen sollen. Wenn wir unsere Gefühle partout nicht spüren können oder wollen, dann meldet sich früher oder später der Körper mit verschiedenen kleinen oder gravierenden Leiden (Psychosomatik). Spätestens dann ist es an der Zeit und vielleicht sogar überlebenswichtig, sich jetzt ernsthaft um die eigenen Gefühle und natürlich auch um unseren Körper zu kümmern.
Wenn in unserer Kindheit Gefühle verletzt worden sind, haben wir sehr schnell gelernt, was wir machen müssen, um (emotional) zu überleben. Wir sind, bis wir auf eigenen Beinen stehen, ziemlich abhängig von unseren Eltern.
Kinder lernen sehr schnell, was und wieviel ihre Eltern psychisch tragen können.
Wenn die Eltern selbst, ihre emotionalen Verletzungen und Traumas nicht bearbeitet haben und sich überfordert fühlen, geben sie diese häufig unbewusst ihren Kindern weiter und diese übernehmen sie sehr häufig. Sie versuchen zusätzlich zu kompensieren, was bei Mutter, Vater oder bei Beiden nicht gelöst ist: beim Kind entsteht daraus ein sog. «Überlebensmuster». Es beginnt zu glauben, wenn es etwas Bestimmtes nicht tue, dann falle alles in sich zusammen. So landet eine «Aufgabe» beim Kind, die nicht zu ihm gehört! Und darin ist es meist völlig allein und hat überdies das Gefühl des «nicht mehr geliebt Seins», wenn es die Eltern nicht «retten» kann. In der Folge nimmt es sich mit den eigenen Gefühlen zurück, für die es dann keinen Raum mehr gibt – und überlastet sich komplett damit.
Fluch und Segen solcher Erfahrungen: in uns Erwachsenen leben unsere kleinen Kinder weiter und mit ihnen leider oft auch unsere alten Überlebensmuster. Diese stehen uns auf unseren Lebenswegen oft jahrzehntelang im Weg – und können zugleich Katalysator auf dem Weg zu unserer Ganzwerdung und Heilung unserer alten Verletzungen sein.
Wir wünschen Dir viele Mutanfälle, Dich ins Land deiner Gefühle zu wagen!