«Stress passiert nicht, Stress ist die Art, wie wir auf Dinge reagieren.» Dieses Zitat – mit unbekannter Quelle – begleitet mich schon seit vielen Jahren. Du magst dich nun fragen: Was hat diese Aussage mit dem Denken zu tun? Und ich antworte dir: Alles. Denn unser Handeln resp. unsere Reaktionen auf Dinge sind die Folge unserer Gedanken. Deshalb sind unser Denken und unser Stressempfinden eng miteinander verbunden und beeinflussen sich zudem gegenseitig.
Zahlreiche Studien belegen, dass pro Tag im Schnitt zwischen 50’000 und 80’000 Gedanken im Kopf rumschwirren. Eine enorme Menge auf den ersten Blick. Doch diese Zahlen beinhalten nicht nur die bewussten sondern vor allem auch die (mehrheitlich) unbewussten Gedanken. Im Grunde sind es weniger, weil wir in sogenannten Gedankengruppen denken. Das heisst, gleiche oder ähnliche Gedanken zu einem bestimmten Thema kommen mehrmals pro Tag immer wieder vor.
Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang auch, dass jeder bewusste und unbewusste Gedanke in unserem Körper ein Gefühl auslöst. Und dieses Gefühl – manchmal wahrnehmbar, manchmal nicht wahrnehmbar – bringt uns ins Handeln resp. lässt uns ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen. Diese Handlungen führen zu bestimmten Ergebnissen resp. zu Erfahrungen in unserem Leben, welche wiederum unser Denken beeinflussen. Ich nenne diesen Ablauf auch gerne «Gedankenkreislauf». Damit du dir das etwas konkreter vorstellen kannst, gebe ich dir hier gerne ein Beispiel.
Der Gedankenkreislauf
Wenn ich mich auf eine Prüfung vorbereite und den Lernstoff vorgängig intensiv und nachhaltig lerne, fühle ich mich gut vorbereitet. Wenn ich dann mit dem Gedanken «ich vertraue mir und meinem Wissen» an die Prüfung gehe, bringt mich dies in ein positives Grundgefühl und ich werde kaum Prüfungsstress wahrnehmen. Auch das bekannte Blackout in einer Prüfung wird sich mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht zeigen. Und falls mir bei einer Aufgabe doch mal kurzzeitig nichts einfällt, wähle ich einfach die nächste Frage zum Beantworten aus. Das Ergebnis meines ursprünglichen Gedankens, meines positiven Grundgefühls und der entsprechenden Handlung zeigt sich am Ende in der Prüfungsbewertung. Diese Erfahrung wird in meinem Unterbewusstsein abgespeichert und beeinflusst wiederum mein Denken für zukünftige Prüfungen.
Der Einfluss des Denkens auf Stress ist somit bedeutend und kann massgeblich dazu beitragen, wie wir mit stressigen Situationen umgehen. Gerne gebe ich dir nachstehend einige, sicher nicht abschliessende, Aspekte zum Nachdenken mit, die diese Aussage bestätigen.
Eigene kognitive Bewertung > meistens aufgrund bisheriger Erfahrungen entstanden
Wie ich eine Situation bewerte und interpretiere, beeinflusst direkt meinen Stresspegel. Wenn ich eine Situation als bedrohlich, gefährlich oder sogar unüberwindbar einschätze, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit massiv, dass ich Stress empfinde. Auf der anderen Seite kann ich durch eine positive oder realistische Bewertung einer Situation, den Stress reduzieren. Wenn ich z.B. eine Herausforderung als eine Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung sehe, werde ich weniger gestresst sein, als wenn ich sie als unüberwindbares Hindernis betrachte.
Eigenen Gedanken kontrollieren
Mein Denken kann mich in den Teufelskreis von Stress führen, und zwar dann, wenn ich mich in negativen Gedanken verliere, die in einem erhöhten Stressempfinden enden. Indem ich lerne, meine Gedanken zu kontrollieren und negative Denkmuster zu erkennen und zu verändern, kann ich meinen Stresslevel senken.
Gespräche, die ich mit mir selbst führe
Die Art und Weise, wie ich mit mir selbst spreche (bewusst oder unbewusst), kann mein Stressempfinden beeinflussen. Wenn ich mich mit Selbstkritik, Schuld oder Ängsten belaste, erhöhe ich meinen Stresslevel. Positive und unterstützende Selbstgespräche können hingegen dazu beitragen, meinen Stress abzubauen.
Bewältigungsstrategien auf Lösungen ausrichten
Meine Denkweise beeinflusst auch, welche Bewältigungsstrategien ich anwende, um mit Stress umzugehen. Wenn ich anstatt in der Problembehaftung verweile, mich mit lösungsorientierten Denkansätzen beschäftige, kann ich besser mit Stress umgehen und ihn sogar reduzieren. Wenn ich jedoch dazu neige, mit in negativen Gedanken zu verlieren oder mich gar zurückzuziehen, kann sich mein Stresslevel erhöhen.
Perspektive wechseln und Flexibilität zeigen
Die Fähigkeit, eine Situation aus verschiedenen Perspektiven resp. Blickwinkeln zu betrachten und flexibel zu denken, kann mein Stressempfinden markant beeinflussen. Wenn ich Herausforderungen als Chancen sehe und mich gerne und immer mal wieder an veränderte Umstände anpasse, kann ich mein Stressempfinden reduzieren.
Selbstwirksamkeit erwarten
Wenn ich überzeugt bin, mit einer bestimmten Situation umgehen und sie bewältigen zu können, beeinflusst dies mein Stressniveau. Selbstwirksamkeit bedeutet, dass ich das Vertrauen in meine Fähigkeiten habe, mit Herausforderungen umzugehen und bin dadurch automatisch weniger gestresst.
Abschliessend kann ich aus eigener Erfahrung folgendes festhalten
Insgesamt spielen mein Denken und mein Stressempfinden in einem sich verstärkenden Zyklus zusammen. Negative Denkmuster können zu erhöhtem Stress führen, während Stress wiederum mein Denken beeinflusst. Durch das ständige Erkennen, Hinterfragen und Ändern meiner negativen Denk- und/oder Verhaltensmuster konnte und kann ich immer wieder von Neuem lernen, stressige Situationen besser und vor allem für mich nachhaltiger zu bewältigen.